Montag, 27. Oktober 2014 4 Kommentare.
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Muss sich ein Profiposaunist einschränken? Darf er nur noch einer Musikrichtung treu bleiben um seine volle Leistung zu entfalten? Der Oberösterreichische Bassposaunist Gerald Pöttinger, Mitglied bei PRO BRASS, den Bullhorns und vielen anderen, überzeugt vom Gegenteil.

Gerald Pöttinger - Flexibler Kraftposaunist

Gerald Pöttinger – Flexibler Kraftposaunist

Seine Musikerkarriere begann so, wie für viele andere von uns Posaunisten. Zuerst versuchte er sich auf der Blockflöte, mit neun Jahren führte ihn sein Bruder Günther dann an das Tenorhorn heran. Aber der Weg zur Musik war ja eigentlich vorgegeben.

Aus guter Familie

„Die Musik liegt bei mir in der Familie. Mein Vater war Posaunist im Musikverein Wendling, meine Schwester ist Lehrerin für Oboe am Oberösterreichischen Landesmusikschulwerk, mein jüngerer Bruder ist Hornist im Brucknerorchester Linz und mein älterer Bruder spielt ebenso Posaune bei der Blasmusik.“(1)

Das Tenorhorn gefiel ihm. Nach einem halben Jahr Unterricht bei seinem Bruder, wechselte er zu Josef Söllinger an der Landesmusikschule in Haag. Weitere vier Jahre später nahm er zusätzlich Posaunenunterricht, und blieb diesem Instrument dann auch treu. Im Alter von zwölf Jahren hatte er 1993 sein erstes Konzert mit seinem Heimatverein, der Trachtenkapelle Wendling.

Der zwölfjährige Gerald in seiner ersten Tracht.

Der zwölfjährige Gerald in seiner ersten Tracht.

Mit 16 Jahren fing er bei Prof. Josef Kürner an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz das Studium an der Tenorposaune an. Im Herbst 2008 schloss Gerald sein Studium mit dem Magister ab. Sein Spiel perfektionierte er immer wieder bei diversen Meisterkursen, unter anderem bei Uwe Füssel (Staatsoper München) und Stefan Schulz (Berliner Philharmoniker).

Erfahrung gewinnen

Bereits während seines Studiums konnte der Oberösterreicher ordentlich Orchester-Praxis sammeln. Ob als Substitut im Brucknerorchester Linz, im Mozarteum in Salzburg, in der Volksoper Wien oder bei den Wiener Symphonikern – er ließ keine Gelegenheit für große Auftritte aus.

Nebenbei heimste er sich als Solist große Auszeichnungen ein: Mehrere 1. Preise bei „Prima la Musica“ und 1. Preisträger beim Wettbewerb „Musica Juventutis“ mit anschließendem Solokonzert im Wiener Konzerthaus. Sein damaliges Ensemble „Tromproject“ gewann zudem den Förderpreis beim Wettbewerb „Gradus ad Parnassum“.

Posaunen-Stimmbruch

Warum wird ein so erfolgreicher Tenorposaunist zum Bass- und Kontrabassposaunisten? Auch wenn Gerald Pöttingers Musikkarriere fast schon vorgegebenen Wegen gleicht, der Schritt in die ganz tiefen Register kam unerwartet: „Ich habe damals mehr oder weniger zufällig eine Bassposaune ausprobiert – nur kurz, vor einem Big Band Konzert. Das hat mir so gefallen, ich musste mir einfach schon am nächsten Tag ein eigenes Instrument bestellen.“

Diese erste Bassposaune entwickelte er gemeinsam mit Manfred Meinhold (Instrumentenbauer der Fa. Kürner), und diese spielt er heute immer noch.

Nur drei Wochen nachdem er seine fertige Bassposaune erhalten hat, gewann er ein Substituten-Probespiel im Brucknerorchester Linz. „Von da an lag mein Hauptaugenmerk bei der Bassposaune. Besonders auch darum, weil ich schon zwei Monate später mein erstes Konzert bei PRO BRASS damit spielte.“

Multitasking Marlboro-Man

Gerald Pöttinger mit seiner eigens gebauten Kürner Bassposaune, glücklich damit wie am ersten Tag.

Gerald Pöttinger mit seiner eigens gebauten Kürner Bassposaune, glücklich damit wie am ersten Tag.

Dieses erste Konzert mit PRO BRASS war 2003, seither ist er der Bassposaunist dieser hervorragenden Blechbläser-Truppe. Für ihn wurde von Alfred Lauss-Linhart sogar eigens ein Stück geschrieben: der „Marlboro Man“.

Dieser Spitzname kommt aber nicht von der rot-weissen Zigarettenmarke, wie man vermuten möchte. „Alfred meinte, dass die Figur des Marlboro Man recht gut zu mir passt. Grad so wie man den Cowboy aus der Werbung kennt:  auf einem Westernpferd sitzend, cool und gelassen mit einer Zigarette.“

Gelassen wirkt er nicht nur bei PRO BRASS. Wohl nur wenige Instrumente werden so flexibel eingesetzt, wie die Posaunen von Gerald Pöttinger: In der Big Band mit Nouvelle Cuisine und dem Upper Austrian Jazz Orchestra, Jazz mit Mühlbachers, Rock mit Bullhorns, feinste Brassmusik mit PRO BRASS und hin und wieder zeitgenössische Musik mit dem Klangforum Wien. „Die Abwechslung war es ja auch, die mich damals von der Posaune überzeugt hatte.“

Option B

Das alles hätte auch völlig anders kommen können. Natürlich – die musikalische Laufbahn lag durch seine Familie immer ganz nah, und doch schlägt sein Herz für das Leben am Lande. Er hatte von klein auf am elterlichen Hof mitgearbeitet, gerne wäre er auch Landwirt geworden.

Später kam der Führerschein für Traktoren und LKWs dazu. „Mein Vater hatte damals ein kleines Baggerunternehmen(3), und so konnte ich immer wieder im Betrieb mithelfen.“

Nur mit dem Truck noch massiver unterwegs als mit seiner Bassposaune. Gerald im LKW des Familienunternehmens Pöttinger Baggerungen.

Nur mit dem Truck noch massiver unterwegs als mit seiner Bassposaune. Gerald im LKW des Familienunternehmens Pöttinger Baggerungen.

Vielleicht waren es die geselligen Stunden nach den Proben, die ihn davon abhielten Landwirt zu werden? (Es gibt wohl kaum einen Posaunisten der das nicht schätzt.) Oder er hatte zwischen all den Auftritten einfach keine Zeit darüber nachzudenken, ob ihm Option B etwa doch besser gefallen würde.

Vielbeschäftigt

Derzeit spielt er den Ring der Nibelungen im neuen Musiktheater Linz auf der Kontrabassposaune. Von seinem ursprünglichen Ziel – eine Festanstellung in einem Orchester – ist er zwar abgekommen, und doch hat er derzeit einen Zeitvertrag beim Bruckner-Orchester bis Ende der Spielzeit 2014/15(2).

Zusätzlich zu all den Ensembles ist er oft mit „The Percussive Planet“ von Martin Grubinger unterwegs. Die gerade neu herausgebrachte DVD verspricht rhythmische Hörgenüsse – nicht nur Fans überbesetzter Stabspiele:
Martin Grubinger: The Percussive Planet

Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht aber das Landeskonservatorium in Klagenfurt. Dort ist er seit seinem Vorspiel im Jahre 2006, also mit gerade mal 24 Jahren, Professor für Posaune. Es grenzt wohl fast an ein Wunder dass dieser Kraftposaunist auch noch Zeit für ein privates Leben hat, wenn auch dafür immer weniger bleibt. Die freien Momente genießt er dafür in vollen Zügen, ob zusammen mit seiner Freundin oder auf dem Mountainbike im Salzkammergut.

Top Ausstattung

Der Marke Kürner ist Gerald fast durchwegs treu. Seine Tenorposaune, Bassposaune und Barock-Bassposaune hat er von dieser Meister-Instrumentenschmiede. Er hätte wohl noch weitere Instrumente dort bauen lassen, nur leider gibt es das Musikhaus Kürner schon einige Jahre nicht mehr. Seine Kontrabassposaune stammt daher vom Bremer Metallinstrumentenbauer Lätzsch Custom Brass.

Als Mundstücke setzt er für seine Bassposaune ein Hammond Design 21BXL ein, für die Kontrabassposaune das Lätzsch Modell KB1.

Mit der richtigen Motivation geht alles leichter. Immer wieder Ansporn holt er sich von den ganz großen Posaunisten unserer Zeit wie Joseph Alessi, Stefan Schulz, Blair Boillinger und James Morrison. Vorbilder auf der Posaune gibt es zum Glück ja genug.

Hörproben

Cool und gelassen als Marlboro Man bei PRO BRASS

Cool und gelassen als Marlboro Man bei PRO BRASS

Wer Gerald Pöttinger hören möchte, hat auf der nagelneuen PRO BRASS CD „Weil´s Wurscht is“ beste Gelegenheit dazu. Einen Vorgeschmack darauf und bekommt ihr in seinem eigenen YouTube Channel: poettigerald. Wem das gefällt, kann die CD natürlich gleich bestellen:
www.probrass.at

Ihr könnt auch erst mal in das vorherige Album „Gemischte Marmelade“ auf Spotify reinhören. In diesem Album kommt übrigens auch der schmerzhaft hustende „Marlboro Man“ vor:
PRO BRASS – Gemischte Marmelade

Zwei Dinge zeigt uns Gerald Pöttinger auf alle Fälle: Wie vielseitig die Posaune ist – und dass man als angehender Profiposaunist keine Angst vor zu wenig Abwechslung braucht.

Ach ja, und dass einem Bassposaunisten nie die Arbeit ausgeht.


Quellen:

1)      OE1@ORF.at – Gerald Pöttinger, Posaune, mit Freiraum für eigene Musikprojekte
2)      Bruckner Orchester – Gerald Pöttinger

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